Ungefähr 25 Personen (sonst eher 40) erschienen bei warmem Wetter, dazu herrlicher Sonnenschein. Trotz alledem wurde in der Küche und im Saal eifrig gewirtschaftet unter der Führung von unserer Brigitte. In einem Rechaud wurden Kärntner Kasnudeln (halt Teigtaschen mit Käse gefüllt – ähnlich den süd-deutschen Maultaschen, den ost-deutschen Piroggen, den russischen Pelmeni).Gekochte Eier, Gurken und Tomaten, Wurst- und Schinkenplatte, eingelegte Matjes, Erdbeeren mit Joghurt, Melone mit Schinken, Schwarzwurzelsalat rundeten das Frühstück ab. Nicht zu vergessen Apfelstreuselkuchen (meisterlich von Frau Krieger gebacken) und Marillenkuchen (gebacken von Brigitte). Leider konnte Präsident Werner Götz nicht die Eingangsworte sprechen – er weilte auf Reha – Kur in Österreich. Der stellvertretende Präsident Dr. Mannigel kündigte dann die Vorführung eines interessanten Dokumentarfilms an: „Das Wunder von Leipzig 1989“. An sich gab es ja gerade den 70. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Mitteldeutschland, sprich DDR. In Städten von Rügen bis Thüringen – sozusagen von Norden nach Süden – fanden auch in Ortschaften, Gemeinden und Dörfern (in der Zahl 700) Repressionen des Staatsapparates statt. Grund: erhöhte Arbeitsnormen ohne Finanzausgleich. (z. B. Bauarbeiter auf der Stalinallee, Hennigsdorfer Stahlarbeiter, aber auch Proteste gegen das willkürliche SED-Regime).
Leider verkam der staatliche Feiertag „Tag der Deutschen Einheit“ im Geltungsbereich von West-Deutschland (sprich BRD) zu einem Badetag – außer einigen Kranzniederlegungen zur Erinnerung an die Opfer von damals. Der vorgeführte Film von Leipzig schildert sozusagen die „Zweite Revolution“, den damals 1953 erwünschten Erfolg, nämlich den 9. November 1989. Dieser Film bringt Dokumentaraufnahmen und Zeit Interviews von beteiligten Personen beider Seiten. Er beschreibt die allmähliche Eskalation der heftig protestierenden Volksmasse und den feindlich gegenüberstehenden Trägern der Staatsgewalt. Wie z. B. eingesetzte Stasileute in Zivil. Sie rissen schlagartig die Protestplakate („Freie Wahlen“, „freie Ausreise“, „Fahrradfahren durch ganz Europa aber nicht als Opa“, „Stasi raus“, usw.) weg; ein gezieltes Eindreschen mit Knüppeln auf Demonstranten begann. Die sogenannten „Zugeführten“ wurden brutal auf Lastwagen gehoben. Sie schützten sich etwas, in dem sie ihre Namen lauthals heraus brüllen, für etwaige westliche Reporter. In der bekannten Nicolaikirche fand ein Friedensgebet von oppositionellen Kirchen- und Umweltgruppen statt. Weitere Aktivitäten waren das Verteilen von Flugblättern in den Häusern (telefonieren war weniger möglich, kaum einer hatte ein solches), aber es war doch ein kleiner Mittler von Nachrichten und Treffpunkten. Die dann folgenden Demos fanden ab 4. September 1989 jeweils montags 17.00 Uhr (nach der Arbeit bzw. nach dem Friedensgebet) statt. Später nicht nur in der Nicolaikirche, sondern auch in anderen Kirchen, z.B. in der weltberühmten Thomaskirche, der Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach. Es fing zuerst mit einigen hundert Demonstranten vor dem Rundhausbau des Stasigebäudes an. Von der Staatsmacht wurden jene Protestierenden als Rowdies und Kriminelle bezeichnet; ein Vertreter der Bezirksleitung von Leipzig forderte sogar wieder die Einführung der Todesstrafe für solche „kriminellen Elemente“. Die Parteioberen und Vertreter der Landesregierung telefonierten etwas hilflos mit der in Ostberlin tagenden und feiernden DDR-Regierung. Was tun? Erst entschied man sich sogar für scharfe Waffen – Kalaschnikows sollten auf dem Karl-Marx-Platz (heute Augustus-Platz) eingesetzt werden, zwar bereit zu schießen, aber kein Schuss fiel. Während am 7. Oktober 1989 in Ostberlin sich die SED-Parteioberen unter Anwesenheit von Sowjetchef Michail Gorbatschow feiern ließen, wurde die Zahl der immer wieder Protestierenden von 20.000 bis auf 70.000. Bis weit in den Oktober hinein marschierten dann 8.000 Stasiformationen und andere junge Wachtruppen auf gegen weitaus mehr als 70.000 Protestierenden in der Endphase. Auch in anderen Bezirkshauptstädten wie Halle, Magdeburg, Dresden, Rostock sowie auch in der kleineren Stadt Plauen in Sachsen brodelte es. In Ostberlin gab es erst Montagsdemo nach dem 7. Okt.
(Feiertag der DDR) 1989. Man skandierte: „Wir sind keine Rowdies“, „Keine Gewalt“, „Wir sind das Volk“. Parteichef Honecker und seine weiteren Machthaber sprachen dann von einer Konterrevolution in der SED-Bezirksleitung von Leipzig. Die Verantwortung für das Eingreifen gegen Protestierende überließen die Ost-Berliner Machthaber den Leipziger Behörden: „entscheidet selber“. Somit war der Weg frei für Oppositionsgruppen, wie Aufbruch 89, Neues Forum. Auch namhafte Künstler und Wissenschaftler mahnten zur Besonnenheit, so der international bekannte Dirigent Kurt Masur. Zumindest ohne Blutvergießen, zwar viel Brutalität seitens der Staatskräfte, mündete dann doch alles zum friedlichen 9. November 1989, dem ersten Öffnen der Mauer an der Bornholmer Straße und dann auch überall woanders. Österreichs Mitwirkung an dieser „zweiten Revolution“: Die Fluchtbewegung und die allmähliche Auflösung der DDR begann mit dem symbolischen Akt Durchtrennung der Grenzsicherungsanlagen an der ungarisch-österreichischen Grenze im Burgenland, Ort Kapellenbach/Landkreis Sopron (früher Ödenburg).
Der damalige österreichische Außenminister Alois Mock und der ungarische Außenminister Gyula Horn öffneten im Sommer 1989 als Erste die Grenze zum sog. „Europäischen Frühstück“.
Ein eindrucksvoller Film, der viele von uns beeindruckte.
Helmut Paulus
Fotos: Peter Simlinger, ÖDG